Auf dieser Seite geht es um die Eltern und ihren Einsatz, ihren Schmerz, ihre Verzweiflung und all die Kämpfe, die sie für ihr Kind und für ihre Familie führen.
Autismus kann sehr anstrengend sein. Die Gesundheitsversorgung ist ungenügend und entspricht nicht dem geschriebenen Gesetz für das Recht auf Gesundheit, das jedem Mensch zusteht. Das ist insbesondere auf die hohe Arbeitsbelastung der Fachpersonen zurückzuführen und die Unwissenheit über Autismus. In den Ausbildungen wird im Studium kaum Autismus gelehrt. Da dieses Thema so komplex ist, ist das ein Problem. Viele Betroffene werden demzufolge unzureichend medizinisch versorgt und wichtige Informationen werden ihnen vorenthalten. Viele Eltern haben keine Ansprechpartner, die den Alltag mit Autismus kennen. Das führt immer wieder zu schwierigen Situationen. Die Familien sind weitestgehend auf sich alleine gestellt. Sie brauchen Jahre, um zu lernen, zu verstehen und einordnen zu können.
Es gibt Menschen, die sich durch Kita, Schulzeit und Studium gekämpft haben. Irgendwie,mit viel Unterstützung der Eltern, haben sie all das geschafft. Die meisten aber mussten sehr viel aushalten, um das zu schaffen. Immer wieder kommt so die Frage auf, dass hier eine leichte Betroffenheit vorliegen muss. Wer das schafft, braucht keine Nachteilsausgleiche, da liegt keine Schwerbehinderung vor usw.
Das ist falsch.
Unsagbar viele Eltern haben all diese Jahre auf alles verzichtet, nur um ihr Kind so gut es geht zu unterstützen. Sie haben so viel ausgehalten, sind quer durch das ganze Land gefahren, um jeden Strohhalm, jede Chance zu ergreifen, die sie ausfindig gemacht haben. Sie haben oft jahrelang kaum geschlafen, waren ganz auf sich alleine gestellt, weil man der Meinung war, es läuft doch alles.
Was fast nie verstanden wird, ist, dass diese jungen Menschen in ihrem Alltag sehr viel Unterstützung gebraucht haben und das auch immer so bleiben wird und das es nichts mit ihrem IQ zu tun hat.
Fragt man Profis nach Betreuungsmöglichkeiten etc. heißt es immer: „Das geht bei uns nicht, das können wir nicht leisten. Dieser Aufwand ist unmöglich.“ Das hören wir ständig, obwohl es dort Personal gibt, das am Abend gehen kann.
Eltern aber müssen das leisten, ohne jede Hilfe.
In der Regel haben die Kinder einen Schwerbehindertenausweis und auch einen Pflegegrad meist zwischen 3-5. Das hat Auswirkungen. So z.B. dass behinderte Menschen besonders schützenswert sind, sie Nachteilsausgleiche erhalten müssen - eigentlich ganz selbstverständlich und nicht weil Eltern x Anträge stellen.
Wir kümmern uns um die Körperpflege, Ernährung, Schlaf, Alltagsgestaltung, Bildung, Freizeit und von dem ganzen Papierkram, reden wir erst gar nicht. Unsere Kinder schaffen kaum die Arztbesuche, brauchen immer Begleitung. Manchmal gelingt es Eltern, eine eigene Wohnung zu stemmen, sie machen alles das es klappt und ackern Jahre lang um ihrem Kind Struktur nahe zu bringen.
Eltern sind natürlich auch dann weiterhin da, abrufbereit, jederzeit 24/7. Der Papierkram wird natürlich auch weiter übernommen, sowie die Besuche beim Arzt, die Therapien werden weiterhin begleitet. Die Einkäufe? Na klar, auch das machen die Eltern weiter…Jahr um Jahr geht das so. Eltern kämpfen für ihr Kind, um ihm ein möglichst eigenständiges Leben möglich zu machen.
Viele dieser Eltern sind heute 60, 70 Jahre alt. Sie kämpfen seit über 30 Jahren und haben keine Kraft mehr, weil kaum verstanden wurde, wie viel sie leisten mussten. Es gab und gibt keine Entlastungen, was also sollen sie machen ?
Sprechen die Eltern die Belastung an, heißt es, sie seien überfordert. Dann soll plötzlich das Kind in eine Einrichtung. Stemmen sie alles still und suchen sich privat Hilfe, wird es als ein Privatvergnügen abgetan! Hilfebedarf? Nein, da kann man nichts erkennen.
Es gibt keine Kurhäuser (denn ein Kind, das nicht gruppenfähig ist, bekommt keinen Platz, egal ob mit oder ohne Pflegegrad. Wenn ein hoher Pflegegrad vorliegt, fällt man schon alleine deswegen raus.), keine Entlastungen in irgendeiner Form. Obwohl man die so genannten Entlastungsleistungen durch einen Pflegegrad beanspruchen kann, ist es enorm schweretwas/jemanden zu finden, da es keine qualifizierten Assistenzen gibt, die sich mit Autismus auskennen. Es gibt einfach nichts.
Was also bleibt uns Eltern?
Im Grunde nur, irgendwie bis zum Umfallen weiterzumachen, in der Hoffnung, dass irgendwo eine Tür aufgeht oder ein Wunder passiert. Ganz gleich, ob das Kind erst 3 Jahre oder schon 30 Jahre alt ist - die Schwierigkeiten bleiben.
Manchmal wird die Not unglaublich groß. So groß, dass nichts mehr geht.
Wenn viel Stress aufkommt, Dinge gefordert werden und man nicht verstanden wird und wenn Anforderungen über den Kopf wachsen und man seinem Kind nicht aus einer Situation heraus helfen kann, dann wird es schlimm.
Für Eltern, die ihr Kind gut einschätzen können, ist es das Schlimmste überhaupt, wenn sie erkennen, dass es dem Kind schlecht geht. So richtig schlecht. Eltern sind vernünftige Erwachsene, sie appellieren an die Vernunft, sprechen mit Gott und der Welt, besorgen Stellungnahmen, fahren zu den erfahrensten Ärzten, um ihrem Kind zu helfen.
Doch mit jedem Tag, an dem ein Kind leidet, wird es schwerer und schwerer.
Man rennt von einem zum anderen Fachmann, aber die Situation ist nicht änderbar. Die Kinder können sich ja nicht einfach selbst ausschalten. Sie müssen aushalten und wenn es nicht mehr geht, dann knallt es.
Der Schmerz ist unerträglich, ganz besonders für das Kind, aber auch für die Eltern. Es ist unerträglich für eine Mutter/einen Vater, wenn man genau weiß, wie schlimm es für das eigene Kind ist. Deinem Kind etwas auszusetzen, das es so belastet, das es aufgrund seiner Behinderung nicht aushalten kann, was es sogar schädigt und du als Mutter/Vater musst auch noch Druck ausüben, damit gemacht wird, was gefordert wird. Unerträglich!
Leider gibt es in solchen Situationen nur 2 Möglichkeiten:
das Kind gibt auf. Dann wird es apathisch oder es wird aggressiv.
Mitzuerleben, wie es sich immer weiter nach unten dreht, ist grausam. Ich möchte hier ganz deutlich sagen, alle Eltern kämpfen für ihre Kinder. Sie versuchen, das Richtige zu tun.
Ja, es kann auch anders sein. Ja, es gibt Eltern, die sich nicht gut kümmern. Aber ganz sicher werden diese, wenigen Eltern nicht, über die ganzen Jahre alles geben, die Anstrengung und die Belastung aushalten und große Opfer bringen, um ihrem Kind zu ermöglichen, sich zu entwickeln. Das ist auch völlig klar, wenn man nur einen Moment darüber nachdenkt.
Eltern die sich Einbringen Jahr um Jahr, geben ihr Bestes.
Eltern reden und reden, suchen Hilfe, Unterstützer, Rennen von Mediziner zu Mediziner, von Therapeut zu Therapeut. Ständig. Jede Woche. Das Kind zieht das alles immer weiter nach unten. Denn jeder Termin ist wieder Stress und wenn so viele Termine anstehen, kann es das nicht ausgleichen.
Kinder mit Autismus liegen in der Regel mit ihrer Entwicklung, zumindest in einzelnen Bereichen, zurück. Oft Jahre. Eltern fragen sich immer wieder, warum es so unbekannt ist das trotz IQ große Hilfe benötigt wird – denn zu oft, wird aufgrund eines normalen IQs, die rückständige/verzögerte Entwicklung in anderen relevanten Bereichen übersehen.
Die Kinder fühlen sich zunächst nicht anders. Je älter sie werden, desto häufiger bekommen sie vermittelt: „Du bist nicht richtig. Du musst das so und so machen. Nur so stimmt es…“ Es ist so wichtig, dass wir als Erwachsene diejenigen sind, die erkennen müssen, dass für die kleinen anderes gilt, wenn sie autistisch sind. Wir sind diejenigen, die in der Lage sein müssen, Sachverhalte so zu erklären, dass diese verstanden werden.
Doch wie sollen Eltern das können? Sie konnten selbst nirgendwo erlernen, was es heißt autistisch zu sein. Außer, wenn sie selbst autistisch sind, dann schon. Aber das sind nicht alle Eltern. Eltern brauchen Menschen, die erfahren sind, die schon viele Jahre mit Autismus und/oder Autisten leben.
Kinder, die immer wieder negative Erfahrungen machen, entwickeln Ängste, Zwängeund/oder Depressionen. All das führt zu immer größeren komplexeren Situationen. Dann wird es immer schwieriger, auch Mediziner zu finden, die da noch durchsteigen.
Viele Eltern kennen Situationen, wie dass ihr Kind das Zimmer nicht mehr verlässt oder keine Personen mehr ertragen kann. Dass sich so viele Tics entwickeln, dass man 3 Stunden braucht, um das Haus verlassen zu können. Das Ganze zu verarbeiten ist gelingt nicht, wenn man immer wieder der gleichen belasteten Situation ausgesetzt wird. Dann wird es immer enger, immer gefährlicher.
Werden diese Kinder auch noch ausgegrenzt, womöglich sogar gemobbt, sind sie vor Angst völlig starr. Jetzt werden sie so richtig körperlich krank. Nicht selten wird dann die Diagnose Fatigue gestellt - sofern man Mediziner hat, die Erfahrung mit Autismus haben.
Hat man das nicht, folgt man dem Rat einer oder mehrerer Personen, das Kind einweisen zu lassen; in die Psychiatrie. Der Rat kann richtig sein! Aber leider erfolgt diese Empfehlung meistens nur dann, wenn man nicht mehr weiter weiß und ratlos ist, was zu tun ist.
Folgt man dann dem Rat, kann das zum völligen Zusammenbruch führen. Dann bricht das Leben auseinander. Dann ist Game Over. Dann versagen auch Körperfunktionen, Essen wird eingestellt, aufstehen wird unmöglich.
Ein ganz großes Problem ist, dass Ängste, Zwänge etc. überwiegend isoliert, aber nie im Kontext Autismus betrachtet werden! Da ein gewisser Anteil in der Diagnose begründet ist, wissen sehr viele nicht. Schon gar nicht, dass ein Mensch mit Autismus Dauerbelastung ausgesetzt ist und dadurch alles stark zunimmt! Das ist wirklich schwierig, denn ohne Beachtung läuft es immer auf zahlreiche Medikamente und Fixierungen hinaus. Als Eltern sieht man dann sein Kind fixiert und völlig am Ende. Nicht selten sehen die Kinder dann keinen Sinn mehr im Leben. Daher ist es wichtig zu wissen: Da diese Zwänge demDruckabbau dienen, sind Stereotype wirklich äußerst wichtig für Menschen im Autismus-Spektrum. Wir kennen keinen einzigen Fall, wo es je geholfen hat, Stereotype abzutrainieren,zu verbieten oder unter Sanktionen zu stellen. Stattdessen kann man, wenn Arme, Finger etc. blutig gebissen/gekratzt/geknibbelt/etc. werden, UMLENKEN. Ganz sanft. Es gibt viele Möglichkeiten, die man kennen muss, um sie umsetzen zu können.
Liebe Mediziner, wir Eltern bitten Sie darum, genauer hin zu schauen, auch wenn unser Kind sich die Finger blutig beißt. Klar ist das nicht gut, aber an die Vernunft zu appellieren bringthier gar nichts. Bitte verstehen Sie, dass diese Handlung Stressabbau ist! Denken Sie bitte darüber nach. Autisten mit Medikamenten und Zwang zu begegnen ist nicht der richtige Weg. Bitte zeigen Sie Empathie für die Menschen, die so leiden müssen. Sorgen Sie für ein Einzelzimmer. Erlauben Sie, dass die Angehörigen jederzeit zur Person dürfen. Berücksichtigen Sie bitte, dass das vertraute zu Hause die größtmögliche Sicherheit bietet, dagegen die fremde Klinik völlige Unsicherheit. Dies löst zusätzliche Angst und Panik aus,verstärkt Tics und Zwänge enorm! Geben Sie die Möglichkeit, dass die Person sagen/zeigen kann, was ihr in dieser Situation hilft. Schaffen Sie Vertrauen. Sorgen sie für UK(=Unterstützte Kommunikation), für Ablaufpläne, beziehen Sie die Eltern mit ein etc. Dann wird es gut voran gehen.
Das eigene Kind so zu sehen ….Horror. Anstatt dass dann alle Schreien „Halt! Stopp! Die Gesundheit braucht was anderes,…!“, wird alles einfach ignoriert. Es wird weiter gefordert, den Weg zu gehen, es wird nichts verstanden. Um welche Dinge es auch gehen mag die vom Autisten erfüllt werden sollen, spielt keine Rolle.
Immer wieder gibt es verzweifelte Eltern, die nicht mehr weiter wissen. Sie müssen seit Jahren miterleben, wie es ihrem Kind immer nur schlechter und schlechter geht.
Je tiefer ein Kind im Autismus-Spektrum ist, desto schwieriger ist der Alltag, desto länger dauert jede Handlung und desto schwieriger kann sich der Umgang gestalten. Wir Eltern wissen, das Fachleute nicht jede Facette des Autismus-Spektrums kennen können. Aber bitte versuchen Sie offen zu sein. Insbesondere wenn Sie nicht viele Menschen mit Autismus begleitet haben. Wir wollen Beistand, wir wollen das Gefühl haben offen reden zu dürfen. Wir wollen und benötigen Ihre Hilfe.
Manchmal wird klar, dass es aktuell keine Entwicklung mehr gibt. Wir müssen das so annehmen, wie es ist. Dann hilft es nicht, drum herum zu reden. Es braucht hier klare Worte, gepaart mit etwas Einfühlungsvermögen.
Diese Momente, wenn klar wird, es geht nicht weiter, sind sehr hart. Als Eltern erhofft man sich anderes. Hier brauchen Eltern viel Unterstützung!
Die Auseinandersetzung damit ist schlimm.
Eltern brauchen eine gute Stütze. Sie brauchen Erfahrungen, Verständnis, Zeit und sie brauchen jede Hilfe die möglich ist.
Es wäre so wichtig, dass Medizin, Pädagogik und Selbsthilfe gemeinsam für die Eltern da sind.
Wir sind überzeugt, das ist der richtige Weg! Und so ist vieles mach- und tragbar!
Gemeinsam - statt einsam! .
Es gibt kaum abrufbare Hilfen, Einrichtungen, Möglichkeiten, um eine kleine Auszeit zu bekommen.
Eltern übernehmen die Pflege Jahrzehnte lang.
Sie geben jeden Tag und jede Nacht vollen Einsatz. Ob bei der Körperpflege, Ernährung, Bildung, Beschäftigung…sie sind immer da. Sie geben alles für ihr Kind. Diese Eltern brauchen unsere Hilfe. Sie brauchen ab und zu eine Auszeit. Einen Abend oder ein Wochenende – auf jeden Fall etwas Schönes, das der Seele gut tut. Um selber auftanken zu können.
Bitte helfen Sie uns, das zu ermöglichen. Der Zentrumsbau wird sehr viel Hilfe möglich machen, aber bis dahin, brauchen Eltern ihre Hilfe um durchzuhalten.
Wir haben die Möglichkeit über Betterplace und über gemeinsam helfen zu spenden. Natürlich kann auch direkt auf unser Konto gespendet werden. Bitte geben Sie an wofür.
Ein großes DANKE im Namen aller Eltern.
Offene Worte eines Mediziners
Wir danken allen Menschen, die uns offen begegnen! Die offen sagen, dass sie wenig Ahnung haben. Denn nur mit Offenheit und Empathie findet sich eine Lösung. Immer!
Ausnahmesituationen sind grundsätzlich schwierig. Im Autismus Bereich allerdings, endet es immer wieder in kleineren und größeren Katastrophen. Das Unwissen im medizinischen Bereich ist groß.
Hier ein Beispiel stellvertretend für viele, wo es Mediziner, Pflegepersonal, Pädagogen oder andere medizinische/pädagogische Fachrichtungen betrifft. Es zeigt auf, wie schnell es kippen und entgleiten kann:
„Ein Junge wird vom Hausarzt mit der gesicherten Diagnose Asperger Autismus überwiesen. Ich betreute ihn während der Notfallsituation. Zu diesem Zeitpunkt besteht seitens des Behandlungsteams, Unwissenheit hinsichtlich der ASS. Der Junge wird von seiner Mutter begleitet, die mich unmittelbar nach der Begrüßung informiert, dass ihr Sohn eine ASS hat. Entsprechend sei die Situation für ihn sehr schwierig. Sie wünscht sich bei ihm zu bleiben, die Pflege zu übernehmen, zu unterstützen, wenn möglich in einem Einzelzimmer und bittet darum, die anstehenden Untersuchungen immer anzukündigen.
Weiter erklärt sie, dass es zu Verhaltensschwierigkeiten, wie Verweigerung oder Wutanfälle, Fluchtverhalten kommen kann. Schon deswegen ist es sehr wichtig, dass sie da bleibt. Sie muss nur heute nochmal nach Hause, weil sie keine Betreuung für den kleinen Bruder hat.
Mir kommt das leicht überzogen vor, aber da die Mutter das wünscht und wir eh zu wenig Personal haben, stimme ich zu.
Das Gespräch ist nachhaltig und ich spüre ein Gefühl von Unsicherheit in mir. Gleichzeitig entsteht aber auch die Motivation, diesem Jungen bestmöglich zu helfen. Um den besonderen Betreuungsbedürfnissen des Jungen Rechnung zu tragen, informiere ich umgehend den behandelnden Arzt und das Pflegeteam, um das weitere Vorgehen abzusprechen. Im Team sind alle sehr aufgeregt, da keiner speziell geschult ist. Das lässt uns alle nervös werden.
Schon am ersten Abend, 3 Stunden nach der Aufnahme, stehen wir vor einem Problem. Der Junge kommt nicht zur Ruhe - Schlaf scheint unmöglich. Nachdem die Schwester ihn nicht beruhigen konnte, wurde ich hinzugezogen, um ihm ev. etwas zur Beruhigung zu geben. Er geht auf kein Gespräch ein. Auch ich konnte ihn nicht bewegen, etwas einzunehmen. Der Junge ist fast die komplette Nacht wach. Erst als am Morgen die Mutter kommt, beruhigt sich die Situation langsam.
Es treten im weiteren Verlauf der Behandlung immer wieder Verhaltensweisen des jungen Patienten auf, die mich überfordern. Beispielsweise nehme ich bei meinen pflegerischen Verrichtungen wahr, dass dem Jungen körperliche Nähe zu schaffen macht. Aber wie soll ich ihn behandeln ohne Berührung? Auch die Einstufung der Schmerzintensität ist nicht möglich. Durch eine fehlende bzw. missverständliche Kommunikation des Patienten mit mir, gelingt keine Medikamentengabe. Anstatt das Medikament zu schlucken, diskutiert der Patient mit mir u.a. über den Alkohol in den Tropfen, sowie über die Wirkungsweise im Körper. Er hat viele Gründe die Tropfen nicht zu nehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass er während dieser Diskussion unerwartet und abrupt, von dieser Thematik auf ein anderes Thema wechselt und mir nachfolgend das hochkomplexe Wetterphänomen eines Tornados erklärt. Dieses Verhalten ist für mich so überfordernd, dass ich nicht weiß ,wie ich darauf reagieren soll.
Der weitere Behandlungsprozess wird durch ähnliche Vorfälle täglich erschwert.
Um den ursprünglichen Verdacht auszuschließen, muss noch eine klinische Untersuchung durchgeführt werden. Beim Auftreten mehrerer Mediziner in das Patientenzimmer, rennt der Junge, trotz Anwesenheit der Mutter, noch vor Beginn der körperlichen Untersuchung überstürzt aus dem Zimmer. Alle suchen ihn. Ich entdecke ihn am Ausgang. Also versperre ich die Tür am Klinikeingang. Nach kurzer lauter Eskalation setzt sich der Junge auf den Boden und antwortet nicht mehr auf meine Fragen. Alle meine Versuche, Erklärungen und Bitten verändern nichts. Nur die Mutter schafft ihn zurück ins Zimmer zu bewegen.
Ab diesem Zeitpunkt finde ich keinen Zugang mehr zu ihm, bis zur Entlassung.
Ich fühle mich gestresst und sehr hilflos und weiss überhaupt nicht, was ich tun soll. Diese Hilflosigkeit betrifft das gesamte Behandlerteam und wir entscheiden, den diensthabenden Kinderpsychiater beizuziehen. Wir sind froh, dass wir in unserer Klinik einen Psychiatrie Bereich haben und darauf zurückgreifen können.
Ihm gelingt der Kontakt zum Patienten wieder und er kann untersucht und entlassen werden.
Wir atmen alle auf, dass dieser Patient entlassen werden kann.
Im Nachgang war dieser Patient noch ein großes Thema im Team, da wir die Hilflosigkeit von uns allen als äußerst schwierig erlebt haben. Keiner hatte dazu besondere Kenntnisse, Fortbildungen oder ähnliches. Die Vorstellung, dass es Menschen mit Autismus gibt, die noch tiefer im Autismus-Spektrum sind, sprich noch schwieriger in der Behandlung sind, macht uns allen Angst.
Wir fragten uns, was wohl passiert wäre, hätte die Mutter nicht so energisch aufgeklärt und gefordert. Doch wir sind sicher, es wäre nicht gut gelaufen.
Mehr als deutlich wurde uns allen, wie dringend eine Fortbildung nötig ist. Nach einigem Suchen und Überlegen haben wir uns entschlossen, gemeinsam mit der Selbsthilfe diesen Schritt zu gehen und so die Innensicht vermittelt bekommen. Gemeinsam wollen wir Infos entwickeln und uns Unterstützung holen von Menschen, die Tag für Tag damit leben. Wir sind überzeugt, dass es für die Familien eine große Erleichterung sein wird, ein Bindeglied nutzen zu können.
Wir müssen klar sagen, wie gut es ist, dass es die Selbsthilfe gibt! Einige aus unserem Team hatten schon eine Fortbildung, die aber für den Alltag, Umgang mit Menschen im Autismus-Spektrum nichts brachte. Erst jetzt durch das Erkennen, der Innensicht, verstehen wir ansatzweise auf was wir achten müssen. Unsere Sicht auf Autismus hat sich dadurch verändert. Wir sind froh und dankbar durch euch einer besseren Versorgung leisten zu können.
Neu für uns war, dass es eine so schlechte Med. Versorgung gibt für Menschen im Autismus Spektrum. Wir wollen gemeinsam eine bessere Versorgung möglich machen. Team gut informiert hat. Aber es zeigt ebenso deutlich, wie hilflos sich ein Behandlerteam gefühlt hat.
Ob Pädiater, Pflegepersonal, oder andere medizinische/pädagogische Fachrichtungen. Es zeigt auf, wie schnell es kippen und entgleiten kann.
Danke für die Gespräche und den neuen Blickwinkel. Wir freuen uns, dass wir gemeinsam einer guten Versorgung entgegen gehen.
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