Eltern Assistenz, begleitete Elternschaft im Autismus - Spektrum




Rechtsanspruch für „Eltern Assistenz“ bzw „qualifizierte Eltern Assistenz“


Es ist niemals entscheidend, ob ein Mensch mit Behinderung funktioniert, sondern wie ihn die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einschränken, behindern. Nur wenn wir diese oft unbewußten Einschränkungen bekämpfen, wird Inklusion selbstverständlich.


Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) benennt die Elternassistenz im § 78 Abs. 1 & 3 SGB IX. Dadurch haben Eltern mit Behinderungen einen rechtlichen Anspruch auf diese Assistenzleistung. Das bedeutet, dass diese Leistungen notfalls wirksam vor Gericht eingeklagt werden können (z.B. wenn ein Kostenträger der Ansicht ist, ein Kind sollte besser in einer Pflegefamilie untergebracht werden, weil das kostengünstiger wäre). Näheres dazu, wie sich betroffene Eltern gegen eine Ablehnung der Assistenz wehren können, unter Widerspruch im Sozialrecht, Widerspruch Klage Berufung und Rechtsanspruch und Ermessen.

Nur wegen einer Behinderung der Eltern dürfen Kinder nicht aus ihrer Familie herausgenommen werden. Es gelten Artikel 6 des Grundgesetzes ("Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern ...") und Artikel 23 Abs. 4 Satz 2 der UN-Behindertenrechtskonvention ("In keinem Fall darf das Kind aufgrund einer Behinderung entweder des Kindes oder eines oder beider Elternteile von den Eltern getrennt werden"). Stattdessen muss der Staat die Eltern dabei unterstützen, sich um das Kind oder die Kinder angemessen zu kümmern, auch dann, wenn das nur durch umfangreiche Hilfen möglich ist.


Es gibt die Qualifizierte und einfache Elternassistenz


Elternassistenz steht Menschen mit allen Arten von Behinderungen zu. Das

Einfache Assistenz: Wenn es Aufgabe der Elternassistenz ist, bestimmte Handlungen ganz oder zum Teil zu übernehmen, so müssen die Assistenzkräfte keine besondere Qualifikation dafür haben.

Qualifizierte Assistenz: Wenn allerdings die Assistenz in Form von Anleitung, Beratung und Übungsangeboten erforderlich ist, damit Eltern die Bedürfnisse ihrer Kinder erkennen und erfüllen können, dürfen nur Fachkräfte die Leistungen erbringen. Die qualifizierte Elternassistenz wird auch begleitete Elternschaftgenannt.

In der Praxis kommt qualifizierte Assistenz häufiger bei psychischen und geistigen Behinderungen vor, und einfache Assistenz eher bei körperlichen Behinderungen und Sinnesbehinderungen. Ob ein Anspruch auf qualifizierte und/oder einfache Assistenz gegeben ist, hängt aber von den Umständen des Einzelfalls ab und nicht allein von der Art der Behinderung.


Abgrenzung Elternassistenz nach § 78 SGB IX und Hilfe zur Erziehung nach § 27ff. SGB VIII

Abgrenzung Elternassistenz nach § 78 SGB IX und Hilfe zur Erziehung nach § 27ff. SGB VIII

Mit der Reformstufe 3 des BTHG wurden Assistenzleistungen erstmals im Leistungskatalog der Eingliederungshilfe explizit geregelt. Zuvor wurden Assistenzleistungen im Rahmen des offenen Leistungskatalogs nach § 55 SGB IX a.F. gewährt. Assistenzleistungen umfassen auch Leistungen an Mütter und Väter mit Behinderungen bei der Versorgung und Betreuung ihrer Kinder (§§ 113 Abs. 3, 78 Abs. 3 SGB IX). Der Gesetzgeber benennt hierbei zwei Kategorien: Elternassistenz und begleitete Elternschaft (BT-Drs. 18/9522, 263). Bei der Elternassistenz handelt es sich um einfache Assistenzleistungen für Eltern mit körperlichen oder Sinnesbehinderungen (BT-Drs. 18/9522, 263). Einfache Assistenzleistungen umfassen die vollständige oder teilweise Übernahme von Handlungen zur Alltagsbewältigung sowie Begleitung der Leistungsberechtigten (§ 78 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB IX). Begleitete Elternschaft hingegen ist ein Fall der qualifizierten Assistenz und umfasst die pädagogische Anleitung, Beratung und Begleitung zur Wahrnehmung der Elternrolle (BT-Drs. 18/9522, 263). Insofern sind die Befähigung der Leistungsberechtigten zu einer eigenständigen Alltagsbewältigung umfasst (§ 78 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB IX).

Hilfe zur Erziehung zielt darauf eine dem Wohl eines Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung sicherzustellen. Assistenzleistungen nach § 78 SGB IX versuchen behinderungsbedingte motorische und sensorische Beeinträchtigungen der leistungsberechtigten Person zu kompensieren. Zudem dienen sie der Motivation, der Anleitung sowie der psychologischen Unterstützung der leistungsberechtigen Person.

Eine mögliche Leistungskollision ist nach § 10 SGB VIII aufzulösen. Anwendungsvoraussetzungen des§ 10 SGB VIII sind, dass bei beiden infrage stehenden Leistungen die jeweiligen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (vgl beispiel¬haft: BVerwG 19.10.2011 - 5 C 6/11 ). Davon wird für die weitergehende Betrachtung ausgegangen. Sämtliche Formen der Hilfe zur Erziehung (vgl. § 27 Abs. 2 S. 1 SGB VIII) können vorliegend aus Platzgründen nicht in den Vergleich einbezogen werden. Exemplarisch soll die Abgrenzung anhand von sozialpädagogischer Familienhilfe erfolgen:

Sozialpädagogische Familienhilfe (SPFH) ist geregelt in§ 31 SGB VIII. Sie soll durch inten­sive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben (§ 31 S. 1 SGB VIII). Demnach ist SPFH als Hilfe zur Selbsthilfe zu qualifizieren und zielt auf die Stärkung von Problemlö­sungskompetenzen bei Erziehungsschwierigkeiten (Berneiser in Gesamtkommentar SRB, SGB VIII§ 31 Rn. 1).

SPFH hat einen weitergehenden Ansatz als Elternassistenz. Elternassistenz gibt Hilfestel­lung bei der Verrichtung alltäglich anfallender Aufgaben bzw. übernimmt diese Aufgaben vollständig, während SPFH auf Hilfe zur Selbsthilfe abzielt und eher begleitenden Charakter hat. Insoweit besteht keine Leistungskongruenz und es kommt nicht zur Anwendung der Kol­lisionsregeln des§ 10 SGB VIII. Allein der festgestellte Bedarf im Einzelfall ergibt dabei die notwendige Leistung. Soweit eine SPFH gewährt wurde und sich die erzieherische Situation stabilisiert, kann im Einzelfall ein Wechsel zur Elternassistenz angezeigt sein.

SPFH und begleitete Elternschaft haben einen großen Überschneidungsbereich, da beide vorrangig anleitenden und beratenden Charakter haben. Demnach ist von Leistungskongru­enz auszugehen. Die Leistungen nach dem SGB VIII gehen im Grundsatz den Leistungen nach dem SGB IX und XII vor(§ 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII). Abweichend davon gehen Leis­tungen der Eingliederungshilfe (Teil 2 SGB IX) für junge Menschen, die körperlich oder geis­tig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach SGB VIII vor(§ 10 Abs. 4 S. 2 SGB VIII). Junge Menschen in diesem Sinne sind Personen die noch nicht 27 Jahre alt sind (§ 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB VIII). Der Vorrang des SGB IX nach § 1 0 Abs. 4 S. 2 SGB VIII greift nur bei Personen mit körperlicher oder geistiger Behinderung bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres.

Im Sinne des Bundesteilhabegesetzes hat bei den Trägern der Eingliederungshilfe/ Jugendhilfe ein Umdenken begonnen um den Familien gerecht zu werden.

 

  • Träger der Jugendhilfe unterstützen Eltern mit Kindern unter 6 Jahren im Rahmen des §19SGBVIII.
  • Bei Elternteilen mit einer leichten geistigen Behinderung / psychischen Behinderung sind die formulierten Ziele der Rechtsgrundlage häufig nicht zu erreichen bzw. reichen die Regelangebote einer Mutter/Vater-Kind Einrichtung nicht aus. Das würde streng genommen eine Trennung von Eltern und Kindern bedeuten. Durch §78 Absatz 3 SGB IX erweitert sich der Blickwinkel dahingehend, dass die Eingliederungshilfe Eltern mit einer leichten geistigen Behinderung/ psychischen Behinderung eine intensive Unterstützung über die Anspruchsvoraussetzungen des §19SGB VIII hinaus ermöglichen können.
  • Begleitung, um die Eltern langfristig bei der Erziehung und Entwicklungsbegleitung ihrer Kinder zu unterstützen. Die Standards für das grundsätzliche Wohl des Kindes bilden die Grenzen der Betreuung, d.h. eine ‚Qualifizierte Elternassistenz‘ ist am Wohl des Kindes orientiert und findet dort ihre Grenze, wo das überwiegend gelingende Aufwachsen des Kindes gefährdet ist. Dies kann auch in einem späteren Alter eintreten, wenn das Kind begreift und versteht, welche Einschränkungen die Eltern haben und es hierdurch in seiner Entwicklung gefährdet ist. Die Wahrscheinlichkeit einer Trennung im späteren Lebensalter der Kinder kann jedoch kein Argument für eine frühe Trennung sein, da die Bindungs- und Beziehungsressourcen der Eltern für die ersten Lebensjahre des Kindes elementar wichtig sind, immer unter der Bedingung, dass die Unterstützungsangebote für andere Bereiche (wie 

 

Die Pädagogische Haltung:

 

Die Elternschaft ist ein Grundrecht. Gleichfalls gelten für alle Eltern die gleichen Maßstäbe zur Sicherung des

Kindeswohls (inklusiver Ansatz). Somit darf die Grenze ‚das Wohl des Kindes, unabhängig von den

Beeinträchtigungen oder Kompetenzen der Eltern, nicht zum Nachteil des Kindes überschritten werden.

 

Die Förderung und der Erhalt der Bindung zwischen Eltern und Kind ist ein hohes Gut und gilt als

Voraussetzung für eine ‚ Elternassistenz‘.

 

Ist die Bindung zum Kind stabil, können fehlende Erziehungsfähigkeiten trainiert, ergänzt oder kompensiert werden. Im Hinblick auf die Bindung brauchen Wir alle ein feines Gespür für Nähe und Distanz, um in professioneller Weise mit fehlenden Bindungsfähigkeiten von Eltern umgehen zu können. Eine völlige Kompensation von Bindung ist langfristig

gesehen nicht zum Wohle des Kindes, da ein Bindungsabbruch stattfinden kann. 

 

Die Entwicklung des Kindes steht im Fokus und soll die Persönlichkeit und Eigenwilligkeit der Eltern soll geachtet werden .

 

So viel Selbstständigkeit wie möglich und so viel Unterstützung wie nötig.

 

Die ‚Compliance‘ der Eltern ist zentral für die Entwicklung ihrer Kinder.

 

Besondere Sensibilität ist erforderlich, wenn Kinder schwierige Entwicklungsphasen durchmachen, damit

diese von Fachkräften oder Leistungserbringern nicht per se auf die Defizite der Eltern zurückgeführt

werden.

 

Professionelles Arbeiten bedeutet in diesem Falle umso mehr, dass mit einem Mehraugenprinzip

der Fokus auf das Kind, seine Bedürfnisse und seine Entwicklungsaufgaben gelegt wird.

 

Die Begleitung hat das Ziel, die Eltern zu unterstützen, ihre Kinder beim Heranwachsen zu

begleiten.

Die Selbstständigkeit der Eltern soll dabei mit gefördert werden.

 

Ziele der Elternassistenz

 

Grundlage ist die Balance zwischen dem Grundrecht auf Elternschaft und dem Recht des Kindes auf ein

gelingendes Heranwachsen, auf Förderung, Entwicklung und Fürsorge.

 

Ziele sind:

 

• Sicherung des Kindeswohls

• Klärung der Perspektive von Eltern und Kind 

• Größtmögliche Eigenverantwortung bei der Gestaltung des Alltags der Eltern mit ihren Kindern

• Förderung des Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit der Eltern (Partizipation)

• Selbstständigkeit/ ambulante Betreuung in einer eigenen Wohnung

• Einsicht der Elternteile, dass eine Beeinträchtigung und ein Hilfebedarf bestehen

• ‚Compliance‘ der Elternteile

• Akzeptanz für eine langfristige Unterstützung

• Akzeptanz für die Möglichkeit, dass Fürsorge- und Erziehungsaufgaben von Pädagogischen

Fachkräften kompensiert werden

 

Arbeitsweisen

 

Die Begleitung von Eltern mit Behinderung orientiert sich an den individuellen Fähigkeiten von Mutter/Vater – wie dies auch im Regelangebot der Fall ist.

Wir benötigen Pläne was am Tag ansteht oder erledigen werden muss.

 

Folgende Arbeitsweisen haben sich als hilfreich dargestellt:

 

• Mehr Zeit für die Anleitung von neuen Aufgaben einplanen

• Viele Wiederholungen der gleichen Inhalte/ Anleitungen

• Rituale als Orientierung und Anker

• Klarheit in der Tages/- Wochenstruktur

• Pläne visualisieren mit Fotos oder Piktogrammen

• Orientierung für Eltern und Kind in den Lebensräumen durch Fotos und Piktogramme

• Perspektivengespräche/ Reflexionsgespräche

• Videogestütztes Training

• Beziehungsangebote ohne Leistung/ Erwartungen

• Kleine Schritte wahrnehmen und anerkennen

• Wichtige Inhalte Face-to-Face ohne Ablenkung vermitteln

• Umgebung der Kinder räumlich sicher gestalten

• Präsenz in Übergangssituationen und intensiven Entwicklungsphasen der Kinder erhöhen

• Notfallkoffer

• Begleitung zu Ärzten u.a. Terminen ‚Dolmetscherfunktion‘

• Kommunikation in „Leichter autistischer Sprache“.

 

Unterstützungsbereiche

 

Mütter/ Väter brauchen je nach individuellen Fähigkeiten zusätzlich Unterstützung für folgende Bereiche:

 

• Hauswirtschaftliche Kompetenzen: Wäschepflege, Essenszubereitung, Ordnung und Sauberkeit,

Raumgestaltung

• Hygiene: Küche, Bad, eigener Körper, beim Kind

• Übergänge: Morgenroutine vom Aufstehen bis zum aus dem Haus gehen/ Heimkommen nach der

Kindertageseinrichtung/ Abendroutine

• Mobilität: Begleiten von Terminen, Wege einüben, Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Krippe

oder Arbeitsstelle einübeN

Hilfen zur Erziehung §27

• Die Wahrnehmung kindlicher Bedürfnisse, die Interpretation und Befriedigung wie das Erkennen von Entwicklungsschritten

Entwicklung des Kindes aktiv fördern.

Entwicklungsaufgaben begleiten (Krippe, Kita, Schule, Pubertät, etc.)

• Entlastung von der Aufsichtspflicht durch häufigere Kinderbetreuung im Tagesablauf

• Verkehrssicherheitstraining für Mutter/ Vater und Kind

• Begleitung in Situationen oder Alltagsverrichtungen, die die Fähigkeit erfordern, Gefahren für das Kind einschätzen zu können, bspw. Ein Schwimmbadbesuch

 

4.2 Leistungskatalog ‚Qualifizierte Elternassistenz‘

 

• Präsenz bei der Morgen- und Abendroutine bzw. weiteren zentralen Alltagssituationen 

• Module/ Training zu den Themen Hygiene, Einkaufen, Wäschepflege, Haushaltsführung

• Unterstützung wie Kommunikation/ Leichte Sprache, Tagesstruktur, Orientierung im Alltag/ in der Wohnung 

• Psychologische Unterstützung

• Kontinuierliche Unterstützung der Mütter bei der Gesundheitsfürsorge der Kinder - Begleitung zu allen Arztterminen der Kinder - Ausgabe von Medikamenten für die Kinder

• Gesundheitsfürsorge der Elternteile Und die Begleitung zu den Arztterminen (Dolmetscherfunktion)

• Module zur Wissenserweiterung: Erziehung, Verhalten bei Unfällen, Verhalten bei Infektionskrankheiten der Kinder, Entwicklungsaufgaben der Kinder, etc.

 

Prinzipien wie Mitbestimmung, Selbstständigkeit, Partizipation sind bei der Begleitung und Betreuung

immer mit zu prüfen – Fähigkeiten der Elternteile sollen gestärkt werden und alles was gut läuft, ziehen sich

pädagogische Fachkräfte zurück und übergeben die Verantwortung an die Elternteile (§113 SGB IX).